Sehr geehrte Frau Pachaly,
 
vielen Dank für Ihre Antwort - auch an Herrn Teufel - Ihre Antwort ist die einzige Resonanz öffentlicher Stellen, die ich auf meine zahlreichen Anschreiben erhalten habe. Ich habe allerdings erhebliche Probleme beim Verständnis Ihrer Argumentation. Ich kann nicht begreifen, dass man sich auf Studien bezieht bzw. Studien anstrebt, fordert oder sich darauf verlässt, die keineswegs für die Ausarbeitung eines Gesetzes dienen kann, da diese Studien von vornherein nicht die vom Tierschutzgesetz geforderten Details betreffen.
 
EpiLeg sowie alle Studien, die mir in dieser Richtung bekannt sind (korrigieren Sie mich bitte, sollte ich mich irren, wäre dankbar über weitere Quellen) vermögen in keiner Weise die Käfighaltung zu rechtfertigen. Sie sagen nämlich lediglich aus, dass die Haltung von Legehennen, die eigens für die Käfighaltung gezüchtet und aufgezogen wurden, in alternativen Haltungsformen bei schlechtem Management nicht optimal untergebracht sind.
 
Eine derartige Relativierungsargumentation sollte den vernünftig denkenden Menschen eigentlich per se nicht überzeugen können. Hinzu kommt jedoch, dass sich eine wissenschaftliche Studie, welche zur Konkretisierung eines Gesetzes herangezogen wird, sich an den Anforderungen des entsprechenden Gesetzes halten muss! Von den methodischen Mängeln der "Studie" (Fragebogenaktion) mal ganz zu schweigen.
  • Bereits nach dem Inkrafttreten des Tierschutzgesetzes (TSchG) in den 70ern wurden vom BMELF Gutachtenaufträge verteilt, um einer das TSchG konkretisierenden Verordnung das nötige wissenschaftliche Grundmaterial zu liefern
  • Da eine konkretisierende Haltungsverordnung fehlte, mussten die Gerichte das TSchG auslegen und in Bezug auf die Haltung von Legehennen in Käfigen konkretisieren und taten dies auch: Unter Berufung auf den eindeutigen Wortlaut des TSchG stellten die Gerichte fest, dass den Erkenntnissen der Verhaltensforschung große Bedeutung zukomme. So erklärte beispielsweise das OLG Frankfurt in seinem Beschluss vom 12.04.79 zu der „Relativierungsargumentation“ des 1. Teils des Celler Gutachtens: „Nicht zu entkräften vermag dieser Sachverständige, dass durch diese Art der Käfighaltung artgemäße Verhaltensweisen nicht mehr durchgeführt werden können. Das aber ist entscheidend.“
  • Dennoch: Politiker und Lobbyisten klammerten sich an das "Celler Gutachten" - ein 2geteiltes Gutachten, wobei der wichtige, 2. Teil (Ausführung, dass die Tiere in Käfigen grundsätzlich und systembedingt nicht verhaltensgerecht untergebracht sind und hierdurch die Tiere lang anhaltenden Leiden i.S.d. TSchG ausgesetzt sind) beharrlich bei dem der Erlass einer Legehennenhaltungs-Verordnung (HHVO) ausgeklammert wurde. Das BMELF erklärte, dass es die Käfighaltung auf dem Verordnungswege legalisieren möchte. Dies entsprach der Forderung des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, welcher es für notwendig hielt, „dass [...] die Zulässigkeit der heute üblichen Käfighaltung von Legehennen [...] sichergestellt wird. [...] Nur so kann verhindert werden, dass aufgrund von Gerichtsurteilen und Entscheidungen von Verwaltungsbehörden die deutschen Legehennenhalter in persönliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.“

Ganz deutlich: Entgegen des Gesetzes sollten die Haltungsvorschriften nicht etwa zum Schutz der Tiere konkretisiert werden, sondern zum Schutz der Legebatterien und seiner Lobby gebeugt werden! So geschah es dann auch (und geschieht wieder!). Es gab eine tierverachtende Verordnung und die Batteriebetreiber waren "aus dem Schneider" - weil die Tierquälerei ja jetzt legal war! Deutlich gesagt, hat das BMELF das Gesetz bewusst gebrochen, um die strafrechtliche Verfolgung von Legebatteriebetreibern unmöglich zu machen. Bei einem derartigen Vorgehen von Strafvereitelung zu sprechen ist nicht weit hergeholt, sondern drängt sich geradezu auf.

Nun möchte der Bundesrat in teilweise neuer Besetzung, nachdem die Skandale um BSE, MKS und Hühnerpest vergessen sind, den Ausstieg aus dem noch gar nicht begonnen Ausstieg der Käfighaltung und stützt sich argumentativ wiederum auf eine "Studie" und bedient sich letztendlich uralter Argumente, die bereits erfolglos als Rechtfertigung für die alte HHVO herhalten mussten. Wer sich jedoch zur Änderung einer VO eine derartige Basis im Bewusstsein ihrer Unzulänglichkeit zu eigen macht, nimmt billigend in Kauf, die vom TSchG normierte Ermächtigung und die grundgesetzlich verankerte Bindung ans Gesetz zu überschreiten, um die millionenfache Tierquälerei i.S.d. Strafrechts rechtswidrig zu legalisieren.

Offensichtlich tat der Umbau des Bundeslandwirtschaftsministeriums ins Verbraucherministerium den Tieren nicht gut. Es kann nicht angehen, dass ein und dasselbe Ministerium - als Förderer der Massentierhaltung konzipiert - für den Tierschutz zuständig ist. Dabei sind Verantwortliche in den Landwirtschaftministerien heute wie damals nicht nur Förderer der Tierquallobby, sondern sogar Teil dieser selbst (z.B. in Niedersachsen).

Ihr Satz "könnte ein Verbot konventioneller Käfige sogar noch vor Ende 2006 in Kraft treten."hört sich zwar einerseits gut an - sieht man auf das Datum -, impliziert allerdings andererseits in meinem Verständnis eher die Favorisierung der so genannten "ausgestalteten" Käfige - sonst hätten Sie geschrieben "[...] Verbot konventioneller Legehennenhaltung" oder "konventionell" gar nicht geschrieben. Leider wurde kein Antrag auf namentliche Abstimmung am 28.11.03 gestellt, so dass ich natürlich nicht weiß, wie sich Baden-Würrtemberg tatsächlich verhalten hat. Ihre Abstimmungen am 30.10.03 sprechen jedoch eine deutliche Sprache: leidenschaftslos - nämlich 3xEnthaltung.  In Bezug auf "EU-weites Vorgehen" möchte ich mit Unverständnis nur das Stichwort "Schweinverhaltungsordnung" nennen.

Ich freue mich, dass Sie sich für für meinen Einsatz für die Belange des Tierschutzes bedanken, fände aber den umgekehrten Weg wesentlich schöner - leider kann ich mich bei Ihnen lediglich für die Beantwortung meiner Post bedanken. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich sehr enttäuscht bin und mein Vertrauen in die Politik rapide gen flatline rast.

Mit dennoch freundlichen Grüßen
Viola Kaesmacher
Hufnagelstraße 16
60326 Frankfurt

www.tierlobby.de
Mitglied im IfT - Internetzwerk für Tiere

PS: Wesentliche Inhalte dieses Briefes sind sind gestützt auf den Bericht "EpiLeg - ein politisches Gutachten". Linktipp: http://www.tierlobby.de/rubriken/Tiergarten/voegel/huhn10_legehennen_resumee.htm
sowie "EpiLüg - oder die Kunst der statistisch untermauerten Lüge" Linktipp: http://www.tierlobby.de/rubriken/Tiergarten/voegel/huhn6_massentierhaltung2.htm

 

----- Original Message -----
From: "Pachaly, Luise" <Luise.Pachaly@STM.BWL.DE>
Sent: Monday, December 22, 2003 12:35 PM
Subject: AW: Flehbrief bezüglich Legehennenverordnung im Bundesrat

 
Mit freundlichen Grüßen

Luise Pachaly

Staatsministerium Baden-Württemberg
Referat 15 - Ernährung und Ländlicher Raum
Richard-Wagner-Straße 15
70184 Stuttgart

Telefon: 0711 / 2153252
Fax: 0711 / 2153433
OUTLOOK-PC-Fax: +497112371932252

eMail:
luise.pachaly@stm.bwl.de
www.baden-wuerttemberg.de
 
Aus dem Anhang:
 

Stuttgart,

22.12.2003

Durchwahl (0711) 2153 -

252

Telefax (0711) 2153 -

433

Name:

Frau Pachaly

Aktenzeichen

I-9185.

(Bitte bei Antwort angeben)

 

Sehr verehrte Frau Kaesmacher,

heute darf ich zurückkommen auf Ihre an Herrn Ministerpräsident Erwin Teufel gerichteten E-Mails vom 10./26.11.2003, in denen Sie vor dem Hintergrund der Bundesratssitzung am 28. November 2003 das Verbot der Käfighaltung von Legehennen ansprechen. Herr Ministerpräsident dankt Ihnen für Ihre E-Mails und hat mich aufgrund der großen Zahl der in dieser Thematik an ihn gerichteten Schreiben gebeten, Ihnen zu antworten.

Die Landesregierung von Baden-Württemberg spricht sich für eine sachgerechte und praxisorientierte Weiterentwicklung des Tierschutzes im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung aus. Diese muss nach unserer Auffassung aber möglichst EU-weit gemeinsam in allen Mitgliedstaaten erfolgen. Nationale Alleingänge werden nur zu einer weiteren Verlagerung der landwirtschaftlichen Produktion in andere Staaten mit geringeren Tierschutzstandards beitragen. Dies kann weder im Sinne der Tiere noch der Verbraucher sein.

Die Landesregierung von Baden-Württemberg bekennt sich ausdrücklich zur Abschaffung der Legehennenhaltung in konventionellen Käfigen. Allerdings gibt es Berichte und Erfahrungswerte, die dafür sprechen, dass auch alternative Haltungssysteme für Legehennen aus der Sicht des Tierschutzes, des Umweltschutzes und des Verbraucherschutzes erhebliche Nachteile aufweisen können. Derzeit ist jedoch der Wissensstand über die möglichen Ursachen dieser Nachteile sowie über die sozioökonomischen Auswirkungen, die mit den verschiedenen Haltungssystemen verbunden sind, noch zu gering. Erst wenn die erforderlichen Erkenntnisse vorliegen, können die bestmöglichen Lösungen gefunden werden. 

Seit der Novellierung des Tierschutzgesetzes im Jahr 2001 besteht im dortigen § 13 a die Rechtsgrundlage zur Einführung von Prüfverfahren für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen. Der Bundesrat hat nun am 28. November 2003 mit Zustimmung des Landes Baden-Württemberg gefordert, ein solches Prüfverfahren für alle Haltungssysteme für Legehennen verbindlich einzuführen. Diese Forderung wurde an den Ausstieg aus der Legehennenhaltung in konventionellen Käfigen gekoppelt. Hintergrund ist insbesondere, dass die EU und die Bundesregierung neue Berichte und wissenschaftliche Erkenntnisse zu den verschiedenen Hennenhaltungssystemen bereits angekündigt haben. Diese müssen sorgfältig analysiert werden, um in der Rechtsetzung angemessen berücksichtigt werden zu können. Positive Erfahrungen, die Länder wie die Schweiz oder Schweden bereits gemacht haben, sollten dabei ebenfalls genutzt werden.

Die weitere Umsetzung liegt nun in der Hand der Bundesregierung. Wenn sie die Forderungen des Bundesrates zur Einführung eines bundesweit einheitlichen und verbindlichen Zulassungsverfahrens unverzüglich aufgreift, könnte ein Verbot konventioneller Käfige sogar noch vor Ende 2006 in Kraft treten.

Für Ihren Einsatz für die Belange des Tierschutzes danke ich Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Luise Pachaly